100 Jahre      Mikrobiologische Vereinigung München e. V.     1907 - 2007
 


Über Mikrofotografie

Von Klaus Henkel


Immer wieder einmal wird gefragt, ob es möglich sei, in "µ" eine Anleitung zur Mikrofotografie zu geben, so daß auch Anfänger es verstehen und lernen könnten. Welches Mikroskop, welche Kamera, wie verbindet man sie? Geeignete Filme, (Blitz-)Beleuchtung, Aufnahmetricks usw.? Möglichst so, daß man seine vorhandene Ausrüstung dabei verwenden könne.

"µ" kann vieles, aber das denn doch nicht. Der aus der Alltagsfotografie bekannte, einfache Vorgang, die Kamera ans Auge zu heben, durch den Sucher zu schauen und auf den Auslöseknopf zu drücken, wird in der Mikrofotografie in viele einzelne Überlegungen und Vorgänge aufgelöst, deren jede eine eingehende Abhandlung wert wäre. Das ginge zu weit. Aber auf folgende Weise könnten wir es machen: Ich werde über wichtige Aspekte der Mikrofotografie berichten, dabei schwerpunktmäßig meine eigenen Methoden darstellen und warum ich sie gewählt habe. Vielleicht regt das die µ-Leser an, uns ihre Tricks und Vorlieben ebenfalls zu verraten. Einzelne Kapitel werde ich vor dem Abdruck in "µ" erfahrenen Mikrofotografen aus unserer Vereinigung und aus anderen vorlegen, damit sie Ihre Erfahrungen beisteuern können.

Für Bastler, die meinen, die Optik ihres alten Messingveteranen sei fast so gut wie moderne, und die deshalb damit Mikrofotos machen wollen, oder für die Anpassung eines russisches Labormikroskops für die Fotografie und andere exotische Spezialfälle werde ich keine Ratschläge geben. Da muß jeder seinen eigenen Weg suchen. Ich will mich an bewährte Regeln und Rezepte halten, die teilweise hundert Jahre und älter sind. Andererseits benütze ich moderne Geräte und Komponenten, die ohne zusätzliche Bastelarbeiten funktionieren. Egal ob alt oder modern, alle meine Ratschläge zielen auf technisch einwandfreie Fotos. Es sind keineswegs Behelfsmethoden.

An Hinweisen auf Fachliteratur wird man erkennen, daß man nicht weniges lesen, lernen und üben soll. Das schließt manche Grundlagen der Mikroskopie ein, die bei dieser Gelegenheit wiederholt und in ihrer besonderen Bedeutung für gute Mikrofotos dargestellt werden. Viele Verfahrensweisen und Regeln für die Mikrofotografie gelten ja auch für die ganz normale Mikroskopie. Wer sich angewöhnt hat, sie zu mißachten oder nur gelegentlich zu beachten, muß deshalb "zurück zu den Ursprüngen" und sein Verhalten am Mikroskop ändern. Denn bei der Mikrofotografie ist jede Art der Nichtbeherrschung oder Nichtbeachtung des Instruments, der Beleuchtungsmethode, der Präparationstechnik in meist auffälliger Weise im Foto zu sehen! Wir merken uns:

  • Von einem schlechten Präparat kann man kein gutes Foto machen.
  • Auch von einem guten Präparat kann man kein gutes Foto machen, wenn man die Mikroskopbeleuchtung nicht gut bzw. richtig eingestellt hat.
  • Stimmt die Beleuchtung, kann man noch längst kein gutes Foto machen, wenn die Komponenten des Mikroskops, nämlich mechanische und optische Tubuslänge, Kondensor, Objektiv und Okular (Farbvergrößerungsfehler), nicht miteinander harmonieren.
  • Und wenn alles Aufgezählte in Ordnung ist, kann man kein gutes Mikrofoto machen, wenn Mikrokamera und Mikroskop nicht einwandfrei angepaßt und justiert sind.
  • Selbst wenn Präparat, Beleuchtung, Optik und Kameraanpassung stimmen, kann man ein Foto noch immer vermurksen, wenn man - im Gegensatz zur Alltagsfotografie - bestimmte Belichtungszeiten bei bestimmten Kameras nicht vermeidet.
  • Wir können schließlich einen ungeeigneten Film verwenden oder den richtigen falsch entwickeln (lassen).

Das sind deutlich mehr Voraussetzungen als beim Geburtstagsschnappschuß mit der Automatikkamera, aber kein Grund zur Entmutigung. Die große Zahl guter Mikrofotografien z. B. in der Zeitschrift Mikrokosmos beweist, daß man es lernen kann.


Die einschlägige Literatur

Die Fachbücher sind von Schulungsleitern, Technikern oder Vertragsautoren eines bestimmten Kamera- oder Mikroskopherstellers geschrieben. Sie dienen den Profis, welche die Mikrofotografie beruflich betreiben, zur Einführung und notfalls zum Nachschlagen, denn das eigentliche anwendungstechnische Wissen wird in tagelangen Kursen der Herstellerfirmen vermittelt und geübt. Dagegen stammen herstellerunabhängige Autoren meistens aus dem Amateurlager, wie auch viele Verfasser von entsprechenden Beiträgen im Mikrokosmos. Nicht wenige solcher Beiträge verquicken den Statusbegriff Amateur oder Naturfreund mit den Attributen basteln, sparen, kein Geld haben, Behelfsmethoden, und Hufeisenfuß-Mikroskop aus den Dreißigern. Die vorgeschlagenen Bastel- und Behelfsmethoden setzen oft einen Bastelkeller mit Drehbank oder einen "befreundeten Feinmechaniker" voraus. Andernfalls kommen uns die meisten Bastelvorschläge etwa so teuer zu stehen wie eine moderne Spiegelreflexkamera mit Mikroadapter und Blitzgerät aus dem Handel. Auch Methoden von "vorgestern" werden angeboten: Die Rückwand einer Amateurkamera (was ist das eigentlich?) aufklappen, eine Glasscheibe auf die Filmschienen legen, eine Standlupe darauf stellen, um das Bild damit scharfzustellen. Dann die Standlupe, danach die Glasscheibe wieder wegnehmen, Kamera vom Mikroskoptubus abschrauben, einen Film einlegen, Kamera wieder aufs Mikroskop schrauben und (endlich!) die Aufnahme machen. Veröffentlicht im elektronischen HighTech-Jahr 1995! Das konnte man schon vor siebzig (!) Jahren lesen. So haben Amateure zur Zeit der großen Inflation und kurz nach 1945 fotografiert - als es weder Geld in den Lohntüten noch Kameras zu kaufen gab. Heute sind technisch hochentwickelte, zuverlässige und für die Mikrofotografie geeignete Qualitätskameras so billig wie noch nie. Auch ist für praktisch jedes Mikroskopmodell eines namhaften Herstellers ein trinokularer Tubus erhältlich, mit dem die Mikrofotografie so einfach sein kann, wie ein gutes Familienfoto mit einer modernen, automatischen Kamera. Aber auch genau so schwierig!

Fallen Sie deshalb nicht auf gewisse Bastelvorschläge herein, es sei denn - und das wäre ein triftiger Grund - Ihr vorrangiges Hobby wäre der Bastelkeller und Ihr zweites, tagelang nach passenden Aluminiumrohren zu suchen, die Sie dann außen hammerschlaglackieren und innen mit mattschwarzer Farbe anstreichen können, die nach dem ersten Montage- und Schraubversuch abblättert und so auf die Hinterlinse eines Objektivs fällt, daß nur noch die (teure) Serviceabteilung des Herstellers helfen kann.


Moderne Geräte und Methoden

Heutzutage kauft man eine geeignete Spiegelreflexkamera mit TTL-Blitzautomatik neu für 800 bis 4.000 oder gebraucht um 300 bis 1.500 Mark. Dazu einen trinokukaren Tubus (auch binokularer Fototubus genannt) mit Kameraansatz und Formatstrichplatte für beidäugiges Beobachten. Ist kein Tri-Tubus im Lieferprogramm, sollte man ernsthaft an einen Modell- oder Fabrikatwechsel denken. Ein Tri-Tubus von PZO ist bei GÖKE in Hagen zu einem akzeptablen Preis erhältlich; andere Fabrikate können teuer sein. Man kann übrigens Mikroskopzubehör von PZO (Polnische Optische Werke, Warschau) mit Mikroskopen vom Typ Zeiss Standard kombinieren, weil sie auf dieselbe mechanische und optische Tubuslänge abgestimmt sind. Zum Beispiel Entwurf des Zwischenbildes vom Objektiv 10 Millimeter unter dem oberen Tubusrand. Die mechanische Anpassung der Tubusteile ist einfach, die PZO-Ringschwalbe paßt in die Ringschwalbenaufnahme des Zeiss-Stativs. (Diese Mitteilung ist unverbindlich. Deshalb vorher bei G. GÖKE nachfragen!) Bei Neuanschaffungen ist zu beachten, daß das nicht für die moderne Unendlich-Optik gilt.

Selbstverständlich kann man mit jedem Mikroskop in Verbindung mit jeder Kamera passable Mikrofotos machen. Im Prinzip. Bei etwa 6 renommierten Mikroskopherstellern mit je 3 verschiedenen Modellbaureihen und etwa 20 verschiedenen, geeignet erscheinenden Kameramodellen muß man schon selbst herausfinden, welche Kombinationen tatsächlich zusammenpassen. Wer das nicht - evtl. jahrelang - ausprobieren möchte, halte sich an bewährte Verfahren, Modelle und "Rezepte".

Nachdrücklich sei eine Köhlersche Beleuchtung mit Blitzgerät angeraten (nach Bauanleitung SAAKE oder STAHLSCHMIDT). Das ist Stand der Technik - auch und gerade für Amateure. Wer lebende Mikroorganismen fotografieren will, für den ist der Mikroblitz sowieso ein Muß. Wer blitzt, kann einen Farbumkehr(dia)film für Tageslicht verwenden, das der Blitz liefert. Ohne Blitz muß man mit Blau- und eventuell sonstigen Filtern arbeiten, um die Farbtemperatur der Mikroskopbeleuchtung an die des Films anzupassen. Das ist mit Lichtverlust, Experimenten und Unsicherheiten verbunden.

Bastelvorschläge verlangen mitunter (mikro)fototechnische Kenntnisse der "höheren Art", die man selbstverständlich erlernen kann. Das letzte, maßgebliche Mikrofoto-Lehrbuch in deutscher Sprache stammt aus dem Jahre 1957 von Kurt MICHEL, dem ehemaligen Leiter des Mikroskopbereichs bei Zeiss Oberkochen. Er behandelt die fototechnischen Grundlagen knapp und zusammenfassend, bezieht sich in seinem mikroskopisch-praktischen Teil auf die Geräte eines einzigen Herstellers und braucht dafür doch immerhin 736 Seiten. Die 3 bis 4 Seiten über "Mikrofotografie" in Büchern über Hobbymikroskopie genügen hingegen nicht. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Selbst das sind immerhin gut 300 Seiten. Wer nicht lesen mag, um die optischen, mechanischen und sonstigen Grundlagen der Mikroskopie zu lernen, kann kein "guter Mikroskopiker" werden, seine Mikrofotos gelingen nur durch Zufall oder gar nicht.


Unsere Serie über die Mikrofotografie, die hiermit begonnen hat und im nächsten Heft fortgesetzt werden wird, soll folgende Themen umfassen:


Dieser Artikel wurde erstmals in unserer Vereinszeitschrift µ Nr. 11 (Juni 1998) veröffentlicht.



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