100 Jahre      Mikrobiologische Vereinigung München e. V.     1907 - 2007
 


Die Mikroskopie und Kinder

(Aus: Henkel, K.: Die Mikrofibel.)

Die ersten Fragen

?? Mein Neffe (7 J.) wünscht sich sehnlichst ein Mikroskop. Was können Sie für dieses Alter empfehlen?

!! Sieben ist ein recht frühes Alter für ein Mikroskop, da sind die Finger noch ungelenk, und das notwendige Verständnis für Präzisionsmechanik und -optik ist noch nicht vorhanden. Das Mikroskop ist technisch kompliziert und seine Handhabung nicht weniger. Als Beispiel sei erwähnt: Der Abstand der Objektivfrontlinse bis zum Deckglas des Präparats beträgt bei mittleren Vergrößerungen etwa 0,12 bis 0,4 Millimeter. Das versehentliche Drehen des Grob- anstatt des Feintriebknopfs kann das Präparat, das Objektiv oder beide zerstören - ein teurer "Unfall". Wenn ein Mikroskop ein vernünftiges Bild liefern soll, muß man es zuvor richtig einstellen können. Sogar viele Erwachsene, die das Mikroskop im Beruf benützen, haben regelmäßig Schwierigkeiten damit.
Ein "echtes" Mikroskop sehe ich deshalb eher für das Alter ab 14 bis 15 Jahren, früher nur ausnahmsweise. Zum Mikroskopieren gehört nämlich auch, daß man mit Verständnis die nicht immer einfache technische und biologische Anleitungsliteratur liest, sie verstehen und befolgen kann.
Dazu kommt das Sammeln von Proben mit Planktonnetz und Gläsern, ihre zweckmäßige Hälterung sowie das Herstellen und Handhaben von kleinen Präzisionspräparaten mit noch ungelenken Fingern. Wenn sich kleine Mikroskopiker zunächst auf die Mikroskopie der Wasserorganismen beschränken, müssen sie zwar noch keine Schnitte anfertigen. Jedoch gehört danach zur mikroskopischen Grundausrüstung schon bald auch ein Päckchen Rasierklingen für Schnitte durch Pflanzenstengel und Blätter. Doch ist der Umgang damit für dieses Alter nicht empfehlenswert.
Fazit: In diesem Alter sollte man anders beginnen als mit dem Mikroskop.

?? Meine 12jährige Tochter interessiert sich für die Mikroskopie. Was könnten Sie denn da empfehlen?

!! Woher stammt ihr Interesse? Ist anzunehmen, daß es dauerhaft ist? Mikroskopieren ist eine nicht einfache technische Kunst, die viel Freude macht, aber mühsam erlernt werden muß. Das geht nicht so schnell. Wenn sich Ihre Tochter nur für "das Mikroskop an sich" interessiert, könnte angesichts der Mühen das Interesse bald nachlassen oder von weniger mühevollen und diffizilen Beschäftigungen verdrängt werden. Anders ist es, wenn sie sich stark für die zu betrachtenden Objekte interessiert, also für Tiere und Pflanzen im Wassertropfen, den inneren Aufbau der Pflanzen und Tiere.
Um solches Interesse an Naturkunde zu fördern, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die im folgenden beschrieben werden. Man kann eine oder mehrere davon probieren, zugleich oder nacheinander.


Das Alter des Kindes

Wenn Kinder mikroskopieren, geraten sie meist auch an Anleitungsliteratur, in der einige hochgefährliche Verfahren und Rezepte mit giftigen, krebsfördernden, feuergefährlichen oder explosiven Stoffen erläutert werden, ohne daß auf die Gefährlichkeit ausdrücklich hingewiesen wird, denn diese Anleitungen sind in der Regel für den "Profi" geschrieben, der die Gefahren kennt, er bekommt entsprechende Anleitungen in seiner Ausbildung. Auch gehören sehr scharfe Rasierklingen, Rasier- und gefährliche Mikrotommesser zum Handwerkzeug des Mikroskopikers.
Die zwingend zu benützenden Deckgläschen von 0,17 mm Dicke sind äußerst zerbrechlich, ihre Splitter bohren sich besonders gerne tief in die Finger.

Alle diese Sachen und noch einige mehr gehören nicht in Kinderhände. Erst ab einem Alter von 14 bis 15 Jahren erscheinen Verständnis und Ernsthaftigkeit ausgeprägt genug, so daß man es dann wagen kann.

Über den Wunsch des Kindes nach einem Mikroskop sollte deshalb nicht ohne einen fachkundigen Berater entschieden werden. Ich betone an dieser Stelle nachdrücklich, daß ich unter "fachkundigen Beratern" prinzipiell nicht Mikroskopverkäufer verstehe, obgleich ich gerne zugebe, daß manche von ihnen, z. B. von Lehrmittelversandgeschäften, ernsthaft und fachkundig beraten.


Die Handlupe

Liegen schon Erfahrungen mit einer guten 10fachen Handlupe vor? Am häufigen und technisch richtigen Umgang mit einer solchen kleinen Einschlaglupe sind Ausmaß und Intensität des Interesses an Biologie oder z. B. Mineralien zu erkennen. Mit einer optisch guten 6- bis 12fachen, aplanatischen Lupe, die man immer mitführen kann, ist aller Anfang leicht. Zunächst reicht eine mit Glaslinsen (!) aus dem Optikfachgeschäft zum Preis zwischen 15 und 20 Euro. Besonders zweckmäßig sind sogenannte Doppeleinschlaglupen, z. B. von Carl Zeiss, mit je zwei Linsen, von denen eine 3x und die andere 6x vergrößert. Schwenkt man sie übereinander, erhält man eine 9fache Vergrößerung. Auch wer einem Kind vorerst ein "echtes Mikroskop" ausreden, aber trotzdem kein Billigprodukt schenken möchte, kommt mit einer solchen Zeiss-Lupe "voll auf seine Kosten". Unbedingt dazu gehört aber auch ein gutes Biologiebuch zum Selbststudium. Der Biologielehrer sollte für diesen Zweck eines empfehlen können.
Genau wie beim Mikroskop darf man einem Kind nicht einfach eine Lupe schenken und es dann damit allein lassen. Dazu gehört auch die Beratung, was es anschauen kann und worauf dabei zu achten ist. Einfache Fragestellungen, wie sie im Naturkunde- oder Biologiebuch der Unterstufen formuliert sind, sollten "bearbeitet" werden. Was man dabei sieht, sollte mit spitzem Bleistift in ein Heft gezeichnet und beschrieben werden. Kann man so eine Hilfe nicht selbst geben, wende man sich an den Biologielehrer/ -lehrerin der Schule um Rat.

Die intensive Verwendung einer Lupe, sollte man nicht überspringen. Einem Kind, das sich ein Mikroskop wünscht, kann man eine Lupe durchaus schmackhaft machen. Man kann z. B. zwei Lupen wählen, eine 6- und eine 10- oder 15fache, oder eine Doppeleinschlaglupe 3 x + 6 x, zusammen 9 x von Zeiss. Auch die japanische Firma Tasco macht schöne aplanatisch-achromatische Lupen 10 x in Metallfassung mit einem stabilen Lederetui. Hier sind einige zu sehen. Das ganze hübsch verpackt mit einem guten Anleitungsbuch z. B. zur Botanik oder Insektenkunde, ist ein ansehnliches Geschenk.

Ein Praxistip für die Lupe. Die meisten Menschen schauen "instinktiv" auf falsche Weise durch eine Lupe. Vielleicht haben sie einmal gesehen, wie die Oma eine Leselupe handhabt: Sie hält sie möglichst weit vom Auge weg. Eine zehnfache Lupe ist aber nicht einfach ein Leseglas. Man macht das so: Rechtshänder nehmen sie in die rechte Hand, halten sie zwischen Daumen und Zeigefinger. Dann stützen sie den Handrücken an der rechten Wange ab und schauen mit dem rechten Auge durch die Linse. Die linke Hand hält das zu betrachtende Objekt und nähert es der Lupe so weit, daß man ein scharfes Bild sieht. Mit etwas Geschick kann man die linke Hand auch noch am ausgestreckten Mittel- oder Ringfinger der rechten Hand so abstützen, daß man eine insgesamt "zitterfreie" Anordnung hat. Oberste Regel ist jedenfalls: die Lupe so nahe wie möglich ans Auge, jedoch nicht so weit, daß die Wimpern die Linse berühren und einfetten!



Das Stereomikroskop

auch Präpariermikroskop, Binokular- oder Stereolupe genannt.

Warum sollten Kinder lieber mit Lupe und Stereomikroskop anstatt mit einem normalen Mikroskop beginnen? (Zum Unterschied zwischen einem normalen und einem Stereomikroskop.)

Es ist für das kindliche Vorstellungsvermögen von großem Vorteil, wenn man mit Lupe oder Stereomikroskop stärker vergrößert sieht, was man soeben noch in der Hand gehalten und mit bloßem Auge betrachtet hat. Man sieht das Objekt aufrecht und seitenrichtig, nicht seitenverkehrt und auf dem Kopf stehend wie im Mikroskop! D. h. wenn man das Präparat auf dem Objekttisch des Stereomikroskops nach links schiebt, geht die Bewegung im Bild ebenfalls nach links. Das ist für Kinder vorteilhaft. Ein Präparat für das echte Mikroskop muß zudem in der Regel erst mühsam so vorbereitet werden, daß es mit der gepflückten Blüte, dem Pflanzenstengel oder dem hübschen Käfer keinerlei Ähnlichkeit mehr hat. Zwar kann man auch entsprechende Fertigpräparate kaufen, sie jedoch nur verstehen und interpretieren, wenn man weiß, auf welche Weise und mit welchen Methoden sie entstanden sind. Der eigentliche Sinn des Mikroskopierens, das Lernen durch Selbermachen, fehlt dann völlig. (Da könnte man sich auch gleich ein Biologiebuch mit guten farbigen Abbildungen kaufen oder Diapositive von mikroskopischen Präparaten, dann bräuchte man das schwierig zu handhabende optische Instrument überhaupt nicht ...)

Biologische Mikroskope sind nur für völlig durchsichtige Objekte gedacht, was nicht durchsichtig wie Glas ist, muß so dünn geschnitten oder geschliffen werden, daß es vom Licht der Mikroskopbeleuchtung leicht durchstrahlt wird, wie ein Diapositiv vom Licht des Diaprojektors. Dann muß es in eine Einschlußmasse, z. B. Wasser oder Glyzerin oder Glyzeringelatine gebracht werden, ohne daß dabei Luftblasen entstehen, und dann mit einem Deckgläschen von ziemlich genau 0,17 mm Dicke kunstvoll bedeckt werden. Die Objekte wirken aber in aller Regel sehr abstrakt, entweder durch die Schneidetechnik oder durch die geringe Schärfentiefe des Mikroskops, die meist nur zwischen 1/100 bis 1/1000 Millimeter liegt und immer nur eine hauchdünne Ebene des Präparats scharf abbildet. Eine gewisse Ahnung von dem, was man da eigentlich sieht oder sehen könnte, muß man bei biologischen Objekten schon haben. Selbst erwachsenen Anfängern mit einem durchschnittlichen Sinn für dreidimensionale Körper fällt es oft schwer, sich in ein botanisches oder zoologisches Schnittpräparat hineinzudenken. Auch die Abbildungen und Texte in geeigneten Lehr- oder Praktikumsbüchern sind meist abstrakt und setzen die Biologiekenntnisse der entsprechenden Schulklassen voraus. Das ist für Kinder noch nichts.

Unter einem Stereomikroskop hingegen sind die Objekte technisch viel leichter zu beobachten als mit einem Mikroskop, bei dem die Vergrößerungen bei 30- bis 50fach erst beginnen. Für Kinder ab etwa 9 bis 14 Jahren empfiehlt sich auch deshalb eher ein Stereomikroskop, weil es ein plastisches, räumliches, d. h. tatsächlich dreidimensionales Bild zeigt; mit vernünftigen Vergrößerungen etwa zwischen 6- und 60fach. Vorteil: große Arbeitsabstände zum Hantieren mit den noch etwas ungeschickten Fingern.

Auch wenn später zusätzlich ein echtes Mikroskop angeschafft wird, bleibt das Stereomikroskop ein oft benütztes Instrument. Man braucht es, um Objekte auszuwählen und zu präparieren, aber auch für größere Objekte im Auflicht (die also nicht vom Licht durchleuchtet, sondern von oben beleuchtet werden).
Man kann einen Käfer und andere Insekten und kleine Tiere oder beispielsweise eine Blüte komplett unter ein Stereomikroskop legen und studieren. Die wären für ein richtiges ("zweistufiges") Mikroskop viel zu groß, da muß man bei Insekten oder Blüten "anatomisch" arbeiten, sie mit Nadel und Skalpell regelrecht sezieren und die Teile in dünne Scheibchen von etwa 5/100 Millimeter Dicke schneiden. Für empfindsame Kinder ist aber das gezielte Töten und Zerschneiden von Lebewesen oder das Beobachten ihres Sterbens unter dem Deckglas kein besonders anziehendes Hobby.

Das Mikroskopier-Set

(Zusätzlich, nach oder anstelle eines Stereomikroskops.)

Häufig geben Eltern dem Drängen ihrer Kleinen nach und kaufen ein "Mikroskop" im nächsten Kaufhaus. Solche Dinger sind meist recht klein, haben aber enorme Vergrößerungen (bis 1000fach und mehr). Sie werden meist in einem Set mit viel "Zubehör" angeboten, das völlig unbrauchbar ist. Diese "Mikroskope" sind so schlecht, daß man den Kindern damit das Interesse an der Mikroskopie und der Mikrowelt ein für alle Male gründlich verleidet.

Gelegentlich werden vom Spielwarenhandel, in "Naturkundegeschäften" oder auch beim Versanddienst eines Naturschutzverbandes komplette Mikroskopier-Sets angeboten. Die früheren vom Verlag Franckh-Kosmos, Stuttgart, waren nicht ganz schlecht, vor allem wegen des ausgezeichneten Anleitungsbuches. Das enthaltene Kleinmikroskop war auch etwas besser als die in anderen Kästen. Trotzdem muß man immer bedenken, daß es sich auch bei den besseren Ausführungen um Spielzeug handelt.

Solche Set-Mikroskope sollten durch ein besseres ersetzt werden, z. B. durch das Kleinmikroskop KMC von ASKANIA (Link in der MVM-Homepage), das mechanisch und optisch ausgezeichnet ist und sich viele Jahrzehnte lang bestens bewährt hat. Das frühere Mikroskopierset von KOSMOS enthielt ein ganz hervorragendes Anleitungsbuch, das alle angehenden Mikroskopiker, kleine und große, gründlich durchgearbeitet haben sollten. (Der Kasten (Pappkarton) hieß Kosmos Mikroskopie, Biologie-Praktikum. Bestell-Nr. 62 3411. Franckh'sche Verlagshandlung W. Keller & Co., Stuttgart.) Es gibt ihn nicht mehr, aber manchmal findet man irgendwo einen Restposten oder ein gut erhaltenes, komplettes Set auf dem Flohmarkt.

Man könnte dem/der angehenden Mikroskopiker/in als zusätzlichen Anreiz ein "echtes Mikroskop" in Aussicht stellen, sobald alle Experimente und Beobachtungen des Anleitungsbuches durchgeführt und die Ergebnisse ordentlich in einem Heft aufgeschrieben sind.

Die Mängel solcher Spielzeugmikroskope, ihre krude Mechanik und die miserable Optik verderben in der Regel die Freude am Schauen und töten die Lust zum Mikroskopieren ein für alle Mal ab, anstatt sie zu fördern. Viele Erwachsene sind noch in hohem Alter frustriert, wenn sie an die mißlungenen Bemühungen mit so einem "Mikroskop" zurückdenken. Mit den Mini-Objektiven eines Spielzeugmikroskops kommt man niemals auch nur in die Nähe der Auflösung von üblichen Mikroskopobjektiven. Man kann sogar sagen, man bekommt überhaupt kein brauchbares Bild. Man sieht unscharfe, dunkle Bilder mit bunten Farbrändern, kann lebende Objekte nicht verfolgen, verliert sie aus dem Gesichtsfeld, die Beleuchtung kann die Einzelheiten, die in den Bestimmungs- und Anleitungsbüchern beschrieben sind, überhaupt nicht zeigen usw.

Die Erzeugnisse auf dem Spielzeugmarkt wechseln zu rasch, als daß hier Empfehlungen gegeben werden könnten. Statt dessen machen wir einen anderen Vorschlag: Man kann sich ein solches Set selbst zusammenstellen, und zwar mit Qualitätsprodukten. Vorschlag für ein Mikroskopier-Set

1 Mikroskop von Mikroskop-Technik Rathenow GmbH: Askania Kleinmikroskop KMC (Link in der MVM-Homepage).

Auf ein gutes Anleitungsbuch darf man nicht verzichten. Zur Zeit kann ich das von Chris OXLADE und Corinne STOCKLEY aus dem Verlag ars Edition, München, besonders empfehlen. Solche Anleitungsbücher wie auch die folgenden Glasutensilien und Werkzeuge sind z. B. beim Biologie-Fachversand THORNS in Göttingen erhältlich (Link in der MVM-Homepage). Die folgende Aufzählung ist nur als Beispiel gedacht, damit man einen Überblick über die notwendigen Ausgaben gewinnt.

(Zirkapreise in Euro.) 10 Schnappdeckelgläser 25 ml - je 0,30
2 Petrischalen aus Glas mit Deckel 6 cm - je 0,95
2 Bechergläser 100 ml - je 1,75
2 Reagenzgläser Duran mit Rand - je 0,90
2 Uhrgläser 6 cm - je 0,95
10 Pasteurpipetten aus Kunststoff - je 0,05
2 Schachteln Objektträger 50 Stück - je 3,00
2 Schachteln Deckgläser 50 Stück - je 3,00
Pinzette, anatomisch 13 cm lang - 3,40
Präparationspinzette 10,5 cm, gebogen - 3,95
Federstahlpinzette, stumpf - 4,90
Deckglaspinzette gerade - 2,90
Präparierschere, spitz, gerade, 11 cm lang - 4,75
2 Präpariernadeln spitz mit Holzgriff - je 0,90
1 do. lanzettförmig 1,40
2 Präparatemappen für je 10 Präparate, mit Deckel - je 3,95
einige Gläser mit Etikett, z. B. gut ausgewaschene und gespülte Marmeladengläser
Eosinlösung, etwa 25 ml
Rasierklingen (möglichst steife, sogenannte Industrieklingen)
Klingenhalter



Das "echte" Mikroskop

Ab etwa 14 bis 16 Jahren wird dann ein echtes Mikroskop Freude machen, wenn das Interesse an Natur und Biologie nicht nachgelassen hat und voraussichtlich von einiger Dauer sein wird.

Ein Mikroskop ist immer ein komplettes System, in etwa vergleichbar mit einem Kamerasystem, bestehend aus Kameragehäuse mit 3 Objektiven, Nahvorsatzlinsen, Stativ und leistungsfähigem Blitzgerät. Auch zu einem Mikroskop brauchen wir mindestens 2, besser 3 Objektive, eine (gute!) elektrische Mikroskopierlampe, am besten eine Niedervolt- bzw. Halogenbeleuchtung, sowie einen Kondensor. Ferner ist für Wasserorganismen ein Kreuztisch oder ein ansetzbarer Objektführer unabdingbar. Diese wichtigen Ausrüstungsteile sollten von Anfang an dabei sein, nur die darüber hinausgehenden kann man nach und nach dazu kaufen. Für alle, die sich noch nicht auskennen: Bestandteile des Mikroskops

Unsere Empfehlung beschreibt ein "richtiges" Mikroskop, kein sogenanntes Schülermikroskop, das man nur Schülern schenken sollte, von denen man annimmt bzw. befürchtet, daß sie es nur so lange verwenden werden, wie es im Biologieunterricht der Schule gerade zweckmäßig erscheint, und danach in die Ecke stellen. Zudem ist der Begriff Schülermikroskop kein Standard, jeder Käufer, Händler und Hersteller stellt sich etwas anderes darunter vor.

Bei einem Mikroskop hat die Präzision und Stabilität von Mikrometer- und Tischtrieben, Objektivrevolver etc. unmittelbar Einfluß auf die Bedienbarkeit und Haltbarkeit. Das ist unter einer gewissen Preisgrenze nicht zu machen. Für junge Anfänger darf es keinesfalls "primitiver" sein als für Erwachsene, weil sonst die Lust zum Mikroskopieren allzu leicht von vielen unpräzisen Justierschrauben und Beleuchtungsschwierigkeiten abgetötet wird - oder, wenn die Justiermöglichkeiten überhaupt fehlen, vom schlechten Bild. Mit sehr einfach ausgestatteten Mikroskopen können meist nur erfahrene Könner umgehen und ihnen ein behelfsmäßiges Bild entlocken. Spaß macht so ein Ding nicht, im Gegenteil. Deshalb ist ein gewisser Mindestaufwand vom Preis her nicht zu vermeiden, wenn das Instrument auch benützt werden und nicht nur in der Ecke stehen soll. Wenn der Wunsch nach einem Mikroskop groß und von der Begeisterung für die Kleinwelt des Wassers und anderen kleinen Strukturen aus dem Tier- und Pflanzenreich getragen ist, so besteht die Möglichkeit, daß der kleine Mikroskopiker oftmals recht lange vor seinem Instrument sitzt. Das ist ja an und für sich nicht schlecht. Um so mehr lohnt sich dann aber ein Instrument mit (beidäugigem) Binokulareinblick, das die normale Bauhöhe eines Labormikroskops hat, damit der junge Mikroskopiker keinen krummen Buckel machen muß und sich keine Muskelverspannungen zuzieht. Bei einem (einäugigen) monokularen Einblick hat man zwar das gleiche Bild wie mit einem Binokulareinblick, jedoch ist das langdauernde Beobachten schwieriger, weil man dabei die Kunst beherrschen muß, beide Augen offen zu halten, obwohl nur ein Auge ins einzige Okular schaut. Vielfach führt ein Instrument mit nur einem Okular rasch zur Ermüdung oder gar zu Kopfschmerzen.

Wer den Rat hinsichtlich eines Binokulartubus befolgt, bewegt sich damit wahrscheinlich bereits in der Preisregion jenseits von 500 Euro.

Die Beleuchtung sollte im Stativfuß fest eingebaut sein, und es sollte eine Niedervolt-Halogenbeleuchtung mit regelbarer Helligkeit sein. Eine "Köhlersche Beleuchtung" ist für den Anfang nicht erforderlich, aber es ist von Vorteil, wenn sie später als Zubehörteil nachgerüstet werden kann. (Die Köhlersche Beleuchtung erkennt man daran, daß nicht nur der Kondensor unter dem Objekttisch, sondern auch die Lichtaustrittsöffnung des Beleuchtungskollektors mit einer Irisblende ausgestattet, und der Kondensor mit einem feinfühligen Zahntrieb höhenverstellbar ist.

Drei Objektive genügen für den Anfang, (aber der Objektivrevolver sollte mindestens vier Objektive aufnehmen können): Ein schwaches "Suchobjektiv" mit einem Abbildungsmaßstab zwischen 3:1 und 5:1. Ein 10:1, numerische Apertur 0,22 bis 0,30 und ein 40:1, n. A. 0,65. Ein Ölimmersionsobjektiv 100:1, n. A. 1,25 bis 1.30 ist für die ersten Jahre nicht notwendig. Es genügen einfache, preiswerte, normale achromatische Hellfeldobjektive. Objektive höherer Korrektionsstufen, wie Planachromate, Fluoritsysteme oder Apochromate, sind völlig unnötig und meist auch unpraktisch, die kostbaren Fluoritsysteme und Apochromate für Kinder- oder "Jugendhände" ungeeignet. Die Okulare sollen Weitfeld- bzw. Weitwinkel-Okulare sein. Die Eignung für Brillenträger muß mit "Br" oder dem Symbol einer Brille auf der Okularfassung graviert sein. Ein Okular ohne eine solche Gravur, ist bestimmt kein Brillenträgerokular, aber auch eines mit Gravur ist nicht immer gut konstruiert. Man verlasse sich keinesfalls auf beruhigende Hinweise des Verkäufers, sondern probiere das ausgiebig vor dem Kauf bzw. innerhalb der Rückgabefrist nach dem Fernabgabegesetz.

Phasenkontrastobjektive, die in Anfänger-Ratgebern nicht selten fälschlich empfohlen werden, sind in den ersten Jahren überflüssig, unpraktisch und zudem merklich teurer als normale Hellfeldobjektive. Aber gerade weil sie teuer sind, werden sie von den Verkäufern gerne empfohlen.

Das Mikroskop sollte mit sogenannter Normoptik ausgestattet sein, d. h. die Objektive sollen das übliche Gewinde der Royal Microscopical Society haben: 0,8" x 1/36". Zum Nachmessen: ca. 20,32 mm x 0,705 mm. Die Okulare sollen den Norm-Einsteckdurchmesser haben: Durchmesser der Einsteckfassung 23,2 mm. Wenn man ein neues, modernes Mikroskop mit Unendlichoptik erwirbt, kann es allerdings Abweichungen von diesen Maßen geben.

In Abstimmung mit den bisher beschriebenen optischen Komponenten sollte der Kondensor (unter dem Objekttisch befestigt) eine numerische Apertur von 0,9 haben. Auch eine n. A. von nur 0,6 ist noch akzeptabel, sofern es dafür einen Preisabschlag gibt. Eine höhere n. A. als 0,9 ist teuer und weder notwendig noch praktisch. Aber der Kondensor sollte - am besten mit einem Zahntrieb - höhenverstellbar und mit einer Iris-(Apertur)blende und einem Filterhalter ausgestattet sein. Steckt er nur in einer Schiebehülse, in der er auf- oder abwärts gedreht werden kann, so ist er in der Regel nicht austauschbar und das Mikroskop später nicht mit höherwertigen Komponenten aufrüstbar.

Die beschriebene Mindestausstattung bieten viele Hersteller als Kursmikroskop an. Das Lieferprogramm sollte aber noch einige weitere Zubehörteile umfassen, z. B. weitere Okulare, Kondensoren, Tuben, Objektive, andere Beleuchtungseinrichtungen und auch einen Adapter für die Mikrofotografie. Man muß das ja nicht alles auf einmal kaufen, aber ein vernünftiges Mikroskop sollte auch später noch zu ergänzen sein.


Die Ergonomie

Wenn Kindern etwas Spaß macht, klagen sie meist nicht über ungünstige Körperhaltung. Darauf müssen die Eltern achten. Notfalls muß auch zu einem Mikroskop ein niedriger Tisch beschafft werden. Andernfalls kann es leicht zu Muskelverspannungen mit neuralgischen Schmerzen, einem krummen Rücken oder noch Schlimmerem kommen. Es genügt keinesfalls, zum Höhenausgleich einige Kissen oder Lexikonbände auf den Stuhl zu legen!

Ebenso wichtig ist die Einstellung des richtigen Augenabstandes und des Sehschärfeausgleichs an den Okularen. Dazu müssen die Eltern die Bedienungshinweise des Instruments sorgfältig lesen und es zunächst auf ihre eigenen Augen einstellen, damit sie das selbst lernen. Nur dann kann man es auch einem Kind erklären und beibringen und auch regelmäßig die richtige Einstellung kontrollieren. Andernfalls können Kopfschmerzen und Muskelverkrampfungen im Gesicht die Folge sein.

Instrumente mit einem binokularen Einblick - also mit zwei Okularen für jedes Auge, sind so konstruiert, daß man den Abstand der beiden Okulare auf seinen eigenen Augenabstand einstellen kann. Manche Kinder haben aber einen schmalen Kopf und dementsprechend einen geringen Abstand der beiden Augen voneinander. Viele binokulare Instrumente lassen sich auf einen so schmalen Abstand gar nicht einstellen. Da muß man dann dann noch einige Jahre warten und sich inzwischen mit guten Lupen behelfen. Beim normalen Mikroskop wählt man in so einem Fall ein Modell ohne binokularen Einblick, also eines mit nur einem einzigen Okular. Man darf dann aber beim Beobachten nicht einfach ein Auge zukneifen, Kopfweh und Muskelverspannungen wären die Folge. Man hält beim Einblick mit einem Auge ins Okular auch das andere Auge offen, das Gehirn schaltet dessen Bild nach kurzer Zeit ab, so daß es nicht weiter stört.

Bücher und Anleitungen für Kinder

?? Gibt es für Kinder geeignete Bücher oder Anleitungen zum Mikroskopieren? !! Ja, nämlich:

Rainer Köthe: Das Mikroskop. Ein "Was ist Was - Buch". 48 S., 106. farb. Abb. Tessloff-Verlag, Nürnberg 1994. DM. 14,80.
----- Begeisternde Fotos und schöne Zeichnungen. Beschränkung auf das Mikroskop in der Biologie. Ausreichende Erläuterungen zum Mikroskop. Seine Handhabung und die der Präparate sind beschrieben. Fachkundige Einführungstexte in die Biologie.

Chris Oxlade; Corinne Stockley: Das Mikroskopierbuch. 48. S., viele Abb. arsEdition, München 1989. DM 19,80.
----- Der Unterschied zum vorher genannten Buch könnte nicht größer sein! Es besteht größtenteils aus gut gemachten Zeichnungen mit präzise hinzugeordneten kurzen Texten. Hier wird nichts beschrieben, sondern alles gezeigt, jeder Handgriff, jeder Gegenstand abgebildet und erläutert. Für finanzschwache junge Mikroskopiker gibt es einige praktische Bastelvorschläge, z. B. das selbstgebaute Handmikrotom. Selbstverständlich ist auch in diesem Werk die Biologie der Schwerpunkt, aber es fehlen weder Kristalle, Mineralien, Archäologie, Nahrung und Umwelt noch Kriminaltechnik. Die Gestaltung des Buches ist übersichtlich und augenfreundlich, ohne modischen Layout-Schnickschnack. Didaktisch ein kleines Meisterwerk. So ein Praxis-Buch hätte manchem von uns manches erspart. Für Jugendliche und Kinder, aber auch für andere krasse Anfänger sehr geeignet.

Antiquarisch findet man immer wieder einmal:

Hagemann, P.; Egli, M.: Botanik mit der Lupe. Beobachtungen und Versuche. Kosmos-Bibliothek, Band 295. Franckh'sche Verlagshandlung W. Keller & Co., Stuttgart 1977.

Stehli, G.; Krauter, D.: Mikroskopie für Jedermann. Methodische Einführung in die Mikroskopie mit praktischen Übungen. Antiquarisch ab 20. Auflage. (Die letzte war die 22., 1969.) Franckh'sche Verlagshandlung W. Keller & Co., Stuttgart. ---- Auch nach 70 Jahren ist dieses Buch noch immer sehr brauchbar.

Und das Anleitungsbuch (Heftform, DIN A4, Querformat) im oben genannten Mikroskopierset Biologie-Praktikum von Franckh-Kosmos, Stuttgart. Es ist genau so vergriffen wie der Kasten zu dem es gehörte, aber gelegentlich findet man es irgendwo: Zugreifen!

Für die Mikroskopie des "Wassertropfens", also der Lebewesen aus dem Tümpel, dem Weiher, dem See oder dem Aquarium ist unverzichtbar: Streble, Heinz; Krauter, Dieter: Das Leben im Wassertropfen. Kosmos-Franckh. Neueste Auflage. Wenn antiquarisch, dann ab 8. Auflage. 25 Euro.

Diese Bücher empfehle ich zur Zeit, für den Anfang besonders das nette Buch von Oxlade/Stockley. Es gibt noch weitere, die mir aber wegen didaktischer und sachlich-methodischer Mängel nicht gefallen.



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